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Titel des Textes. Was erwarten Sie nach dem
Lesen der Überschrift? Worum kann der Text wohl handeln? Welche Aspekte gehören zu Wirtschaftsreformen, wenn ein Staat von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft übergeht?
Lesen der Überschrift? Worum kann der Text wohl handeln? Welche Aspekte gehören zu Wirtschaftsreformen, wenn ein Staat von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft übergeht?
Sammeln Sie vor dem Lesen
Ideen im Kurs und besprechen Sie sie.
Wie in den anderen
postkommunistischen Staaten stehen heute vor der Ukraine viele wirtschaftliche
Probleme. Seit dem Ende der 80er Jahre und besonders seit 1992 bis 1999 sank
die Wirtschaftsleistung1 des Landes ständig ab. Große
Probleme machte die Hyperinflation. Die Verbraucherpreise stiegen 1991 um +
161 %, 1992 erreichten sie in
Folge der Preisliberalisierung ein Plus von 2 000 % und im Jahre 1993 von 10 155 %. Erst 1994 verlangsamte sich
die Preisexplosion.
Eine wesentliche Ursache dafür
war der Abbruch2 der Beziehungen zu anderen ehemaligen
Sowjetrepubliken, mit denen die Ukraine in einer interregionalen Arbeitsteilung
wirtschaftlich eng verbunden war. Von der größten Bedeutung sind besonders die
Beziehungen zu Russland, von dessen Erdöl- und Erdgaslieferungen die Ukraine
abhängig ist.
In der Durchführung der
Wirtschaftsreformen blieb die Ukraine bisher hinter Russland zurück, was unter
anderem auch auf schwere Fehler in der Wirtschaftspolitik in den ersten Jahren
der Unabhängigkeit zurückzuführen ist. Die ersten Regierungen und die politische
Führung des Landes hatten nicht die notwendigen makro-ökonomischen Visionen und
keine Erfahrung in der staatlichen Administration. Es fehlte ihnen ein
einheitliches Konzept für die Wirtschaftsreform.
Ein im März 1992 erlassenes
Privatisierungsgesetz wurde sehr langsam und unkonsequent verwirklicht. Zur
Beschleunigung3 der Privatisierung wurden Vermögenszertifikate4
ausgegeben und Privatisierungsmärkte geschaffen. So waren Ende 1994
nur 10000 Betriebe privatisiert. Das Parlament schloss aber im Frühjahr 1995 6 110 "strategische"
Unternehmen von der Privatisierung aus5, im Herbst 1995
weitern 2 400 Unternehmen. Das waren
zusammen etwa 40% der ukrainischen Mittel- und Großunternehmen. Zum 1. Juli
1996 wurde die Privatisierung von Kleinbetrieben offiziell abgeschlossen. Aber
zu viele Unternehmen befanden und befinden sich noch immer in staatlichem
Eigentum. Hierzu kommt, dass die Privatisierung von Staatsbetrieben nicht
selten von halblegalen oder gar kriminellen Handlungen begleitet wird. Oft sind
die privatisierten Betriebe von Behörden weiter stark abhängig.
Ebenso langsam wurde bis 1999 die
Bodenreform durchgeführt. Die für den Agrarsektor zentralen Reformen begannen
im Dezember 1999 mit dem Erlass Nr. 1529/99 von Präsident Leonid Kutschma. Der
Erlass regelt die Vergabe von Landanteilszertifikaten an die Mitglieder der
Agrarbetriebe und verfügt die Umwandlung der kollektiven
Landwirtschaftsbetriebe, also der Kolchosen, in private Familienfarmen auf
Pachtbasis6. Bis zum Mai 2000 waren gut 6,5 Millionen
Zertifikate ausgegeben, 97% der entsprechenden Bürger hatten ihr Zertifikat
erhalten. Auf dem Lande ist ein gewisser Optimismus entstanden. Das Dasein als
Farmer wurde allmählich aufgewertet7.
Im Übergang zur Marktwirtschaft8
steht die Ukraine immer noch bei den ersten Schritten. Während der Präsidentschaft
Krawtschuks, also bis Mitte 1994, wurden ernsthafte Reformen faktisch nicht
durchgeführt. Dass die wirtschaftlichen Reformen so langsam vorankamen, war
auch darauf zurückzuführen9, dass die alten Führungskader das
politische und wirtschaftliche Leben der Ukraine weiter wesentlich bestimmen.
Das Reformprogramm, das der Präsident
Kutschma im Oktober 1994 verabschiedete10, wurde durch
Dekrete ermöglicht, die die wirtschaftspolitischen Kompetenzen zwischen Präsident,
Regierung und Parlament neu ordneten11.
Die wirtschaftliche Reformpolitik
Kutschmas konzentrierte sich auf sechs Bereiche: Finanz- und Geldpolitik,
Privatisierung, Preis- und Strukturpolitik, Agrar- und Außenwirtschaftspolitik12
und der Aufbau einer neuen Sozialpolitik.
Zentrale Frage der Finanz- und
Geldpolitik ist die Stabilisierung der Währung13 und die
Beseitigung der Inflation. Die Geldreform, die Einführung der Hrywnja im
September 1996, war ein wichtiger Schritt. Durch die Geldmengenpolitik wurde
die Inflation erfolgreich reduziert. Die Reduzierung des Haushaltsdefizits14
und strenge Finanzkontrolle waren und bleiben weitere Aufgaben.
Die wirtschaftliche
Umstrukturierung von der zentral gelenkten Verwaltungswirtschaft15
zu einer sozialen Marktwirtschaft ist eine große Aufgabe. Dazu ist eine
Dezentralisierung der ukrainischen Wirtschaft erforderlich. Besonders notwendig
sind auch Strukturveränderungen in der Schwerindustrie. Das bedeutet nicht nur
die Modernisierung von vielen Betrieben, sondern auch die Konversion von 700 Rüstungsbetrieben,
d.h. ihre Umstellung auf zivile Produktion.
Zur wirtschaftlichen
Modernisierung gehört auch der rasche Ausbau des unterentwickelten
Dienstleistungssektors16, vor allem in Bankwesen, Handel und
Verkehr. Die Entwicklung des Banksystems macht in den letzten Jahren langsam
Fortschritte. Im Kampf um niedrigere Inflationsraten und monetäre
Stabilisierung hat die Nationale Bank der Ukraine deutlich an Profil gewonnen.
Was den Außenhandel betrifft, so
ist er immer noch grundstofforientiert. Exportiert werden hauptsächlich
Schwarzmetalle, Chemieprodukte, Ausrüstungen, Transportmittel und Getreide.
Beim Import dominieren Erdöl und Erdölprodukte, Ausrüstungen und Chemieerzeugnisse.
Die Reformen sind mit hohen
Kosten17 verbunden, die die Bevölkerung des Landes trägt.
Deshalb muss im Staat ein ganzes System der sozialen Sicherheit18
für sozial schwache Schichten geschaffen werden.
Zu den vielen Problemen, die von
der Ukraine bewältigt werden müssen, gehört auch das der Bekämpfung von
Wirtschaftsverbrechen19 wie Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung20.
So hat die Steuerpolizei 1993 hinterzogene Steuern in Höhe von 100 Millionen
Hrywnja eingetrieben21, 1999 waren es 2,3 Milliarden und ein
Jahr später 3,5 Milliarden Hrywnja.
Ausländische Finanzhilfe ist für
die Ukraine noch unverzichtbar22. Der Internationale Währungsfond
(IWF)23 begleitet und unterstützt die Marktreformen seit 1994.
Die Weltbank (IBRD)24 unterstützt die Ukraine mit Expertise
und Kreditprogrammen.
Nur wenn die wirtschaftlichen
Reformen erfolgreich sind, kann die Ukraine richtig unabhängig werden.
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1die Wirtschaftsleistung — досягнення в економіці, 2der Abbruch - розрив, 3die Beschleunigung - прискорення, 4das Vermögenszertifikat - майновий сертифікат, 5ausschließen (о, о) - виключати, 6auf Pachtbasis - на основі оренди, 7aufwerten (te, t) - підвищувати цінність, 8der Übergang zur Marktwirtschaft - перехід до ринкової економіки, 9zurückführen (te, t) auf A - пояснюватися, 10das Programm verabschieden (te, t) - прийняти програму, 11Kompetenzen ordnen (te, t) - розподілити повноваження, 12die Außenwirtschaftspolitik - зовнішня економічна політика, 13die Währung - валюта, 14das Haushaltsdefizit - дефіцит бюджету, 15die zentral gelenkte Verwaltungswirtschaft - адміністративна економіка з
центральним управлінням, 16der Dienstleistungssektor - сектор послуг, 17die Kosten - витрати, 18die soziale Sicherheit - соціальне забезпечення, 19das Wirtschaftsverbrechen - економічний злочин, 20die Steuerhinterziehung - ухилення від сплати податків, 21eintreiben (ie, ie) - силоміць збирати (гроші, борги),22
unverzichtbar (verzichten auf A, te, t) - неминучий (відмовитися від), 23der Internationale Währungsfond (IWF) - Міжнародний валютний фонд, 24die Weltbank (IBRD) - Міжнародний банк реконструкції
i розвитку (МБРР).
Haben
Sie den Text richtig verstanden?
War im
Text davon die Rede?
№
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Aussagen
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ja
|
nein
|
1.
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Die Inflation überschritt 1993 10 000%.
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2.
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Die katastrophale Entwicklung der
Wirtschaftslage während Krawtschuks Präsidentschaft ist nicht allein dem Präsidenten
anzulasten, in hohem Maße war hier auch das Parlament mitverantwortlich.
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3.
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Die Wirtschaftsleistung der Ukraine begann erst 1999 zu wachsen.
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4.
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Die Privatisierung mit Hilfe von Vermögenszertifikaten
war misslungen.
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5.
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Viele Groß- und Mittelunternehmen sind immer noch
nicht privatisiert.
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6.
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Wichtige Strukturreformen in der Landwirtschaft
begannen erst im Dezember 1999 mit der Bodenreform.
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7.
|
Die wirtschaftliche Reformpolitik Kutschmas, die
sich von Anfang an auf sechs Bereiche konzentrierte, ist nicht verwirklicht
worden.
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8.
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Die stabilitätsorientierte Politik der Nationalbank
der Ukraine war bisher erfolgreich.
|
||
9.
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Der Übergang von der zentral gelenkten Verwaltungswirtschaft
zu einer sozialen Marktwirtschaft ist nach wie vor eine große Aufgabe
|
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10.
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Das System der sozialen Sicherheit für sozial schwache
Schichten ist nicht geschaffen worden, obwohl die Regierung soziale Probleme
sehr ernst nimmt. |
||
11.
|
Eine umfassende Steuerreform steht noch aus, Korruption,
Geldwäsche und Steuerhinterziehung sind nach wie vor verbreitet.
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||
12.
|
Die Ukraine kann noch nicht auf die finanzielle Hilfe
aus dem Ausland verzichten.
|
Fragen
und Aufgaben
1. Im Text sind einige Gründe für
die wirtschaftliche Krise genannt. Suchen Sie die entsprechenden Aussagen im
Text. In diesen Sätzen geht es um:
a) Abbruch
der Beziehungen zu den früheren Sowjetrepubliken;
b) langsame
und unkonsequente Durchführung von Reformen;
c) alte
Führungskader;
d) ...
d) ...
2. Auf welche Bereiche konzentrierte
sich das Reformprogramm des neuen Präsidenten?
3. Ordnen Sie einzelne Aufgaben
(die rechte Spalte) zu den Bereichen des Reformprogramms (die linke Spalte) zu.
Bereiche des Reformprogramms:
|
Aufgaben:
|
Finanz- und Geldpolitik
Außenwirtschaftspolitik
Preis- und Strukturpolitik
Agrarpolitik
Privatisierung
eine neue Sozialpolitik
|
Stabilisierung der Währung
Beseitigung der Inflation
Geldreform (Einführung der Hrywnja)
Reduzierung des Haushaltsdefizits
Strenge Finanzkontrolle
Beschleunigung der Privatisierung
Wirtschaftliche Umstrukturierung
Dezentralisierung der Wirtschaft
Modernisierung der Betriebe
Konversion der Rüstungsindustrie
Ausbau des Dienstleistungssektors
Schaffung des Systems der sozialen
Sicherheit
|
4.
Projektarbeit zu Themen:
- Privatisierung von ukrainischen
Unternehmen
- Durchführung der Bodenreform in
der Ukraine
- Der Übergang zur Marktwirtschaft
in Deutschland und in der Ukraine
- Was die
Ukraine importiert - Beispiele aus dem Alltag (ein Spaziergang durch einen
ukrainischen Supermarkt)
- Importierte oder einheimische
Produkte? (Eine Befragung)
- Das System der sozialen Sicherheit
am Beispiel einiger Familien
- Aus der Geschichte des Geldes.
Fragen zum Text
1. Wie ist das Potential der Ukraine
nach dem Zerfall der Sowjetunion?
2. Worin ist der größte Teil der Bevölkerung
beschäftigt?
3. Welche Vorteile hat die heutige
Ukraine?
4. Warum ist die Wirtschaftsstruktur
der Ukraine nicht effektiv?
5. Was bildet die Grundlage der
Wirtschaft der Ukraine?