Von der Riesenmutter erzählt die Sage nichts. Vielleicht verbrachten auch die Riesenmütter damals die Zeit nur zu Hause, in der Riesenküche, der Riesenkirche und der Riesenkleinkinderstube.
Der Vater aber hieß Kruko, und
seine Burg kann man als Ruine noch heute sehen.
Kruko hatte drei Töchter, die
hießen Bramba, Saba und Trendula. Er war sehr stolz auf sie und sorgte täglich
für sie. Sicherlich spielten die drei als Mädchen schön miteinander.
Und vielleicht legte sich jede
von ihnen zum Frühstück einen ganzen Bienenkorb aufs Brötchen. Der Vater holte
frische Brötchen für sie jeden Morgen.
Möglicherweise hat der Vater in
einem Jahr jeder von ihnen zum Geburtstag aus je einer alten Eiche ein
Holzpüppchen geschnitzt und Kuchen gebacken.
Die drei Mädchen stellten
bestimmt auch diese und jene Riesenalberei an1. Als beispielsweise Trendula
so um die 16 Jahre alt war, gefiel ihr plötzlich eine weite Ebene auf ihrem
Spielgelände nicht mehr. Deshalb sammelte sie in ihre Schürze Steine und Erde,
um sich einen Berg zu bauen. Den Berg kann man noch heute besteigen, er heißt
Deiselberg. Und ein kleinerer Berg entstand gleichzeitig, er erhielt den Namen
Ohmesberg — da waren der Trendula ein paar von ihren Bausteinen aus der
Schürze gefallen.
Aber auch für Riesen vergeht die
sorglose Jugendzeit. Kruko starb. Bramba und Saba waren Christinnen, Trendula
dagegen ungetauft. Das gab natürlich Familienstreit, und da weinte die
empfindsame Bramba.
Eines Tages erblindete sie, und
prompt verkündete Saba, dass das vom vielen Weinen um Trendulas Gottlosigkeit
herrühre2. Die drei Riesenfräulein fanden keine ebenbürtigen Männer,
so dass sie Jungfern blieben. Das machte wohl die Sache auch nicht besser.
Man kann sich vorstellen, dass
die Riesendamen sich ganz schön auf die Nerven gingen3. Trendula
hörte vielleicht gerne laute Musik. Bramba war vielleicht von Veranlagung
unordentlich, und als sie blind war, räumte sie nicht einmal ihre Riesenkleider
weg. Und Saba hatte vielleicht eine schrecklich spitze Zunge4, war
dabei möglicherweise auch noch schnell beleidigt, wenn jemand auf ihre
Sticheleien antwortete. Jedenfalls ließ sich zuerst Bramba eine eigene Burg
bauen und zog aus dem Vaterhaus aus. An ihre Schwester wollte sie nicht mehr
denken. Dann machte sich auch Saba selbständig.
Die Bramburg und die Sababurg können noch heute besichtigt werden. Aber
auch Trendula verlor die Zeit nicht, sie ließ sich eine eigene Burg errichten,
und in dieser Trendelburg ist jetzt ein feines Restaurant, das sehr schön
aussieht.
Die Riesenfamilie war also
auseinandergefallen. Saba und Bramba allerdings hatten noch Kontakt
miteinander, trafen sich hin und wieder zum Riesenkaffeeklatsch, hechelten
dabei wahrscheinlich die nicht anwesende Schwester durch die Riesenzähne.
Manchmal quatschen Saba und
Bramba sich auch fest, und dann übernachtete Saba auf der Bramburg. Trendula
erfuhr, was die Schwestern über sie tratschen, und eines Morgens lauerte
Trendula der Saba auf, die gerade von Brambas Burg zur eigenen Burg wanderte.
Trendula stellte die Schwester zur Rede. Saba hetzte und stichelte. Trendula
wurde immer wütender. Und dann geschah es: Trendula erwürgte Saba. Seither
heißt die Stelle, an der das geschah, die „Mordkammer”.
Bramba erzählte nun in ihrer
weinerlichen Art überhaupt nichts Gutes mehr über ihre Schwester Trendula. Es
gelang ihr, alle Bewohner der Gegend gegen Trendula aufzubringen.
Eines Tages, an einem Wochenende,
zog in der Gegend ein Gewitter auf. Das war wohl noch ein altes,
übriggebliebenes Riesengewitter, denn es tobte und heulte und wollte nicht
aufhören. Nach dem dritten Unwettertag brachte Bramba das Gerücht auf, Trendula
sei schuld und Gott zürne ihr. Nach dem siebten Tag glaubten alle der Bramba.
Die Menschen zogen los, Trendula zu vertreiben. Die arme Trendula. Wie viele
kleine Hunde hinter dem großen Bären, so hetzten die Menschen die altgewordene
Riesenfrau. Sie lief und keuchte durch den Sturm. Und plötzlich traf sie ein
Blitz und tötete sie auf der Stelle.
Und auch diese Stelle kann man
heute noch finden: zwei tiefe Abgründe mitten im Wald, die „Wolkenbrüche”
genannt werden.
Texterläuterungen
1 Die drei Mädchen stellten
bestimmt auch diese und jene Riesenalberei an. — Три дівчини влаштовували часом
неймовірно дурні витівки.
2 dass das vom vielen Weinen um Trendulas Gottlosigkeit herrühre
— що це пов'язано з її безкінечним плачем про гріховність (безбожництво)
Трендули
3 dass die Riesendamen sich ganz schön auf die Nerven gingen — що дівчата-велетки не шкодували нервів одна одній
4 Saba hatte... eine schrecklich
spitze Zunge — Саба була гостра на язик
1. Wenden Sie sich wieder zum Text „Eine riesige
Riesenfamilie” zu. Beantworten Sie die folgenden Fragen.
1. Wie groß war die Riesenfamilie, aus wem bestand
sie?
2. Was gab es für die Schwestern jedes Jahr zum
Geburtstag?
3. Warum gab es manchmal Familienstreit?
4. Wie erklärte Saba, dass Bramba eines Tages
erblindete?
5. Warum übernachtete Saba manchmal auf der
Bramburg?
6. Warum gingen sich die Riesendamen auf die
Nerven?
7. Warum fiel die Riesenfamilie auseinander?
8. Warum erwürgte Trendula die Schwester Saba?
9. Welches Gerücht brachte Bramba nach dem dritten
Unwettertag auf?
2. Erfahren Sie bei Ihrem Gesprächspartner Näheres.
Muster: Hans bleibt zu Hause.
(sein kleiner Bruder) — Mit wem bleibt er zu Hause? — Mit seinem kleinen
Bruder.
l. Am Abend gehe ich zu Besuch. (meine jüngere
Schwester)
2. Ich muss noch über meine Arbeit sprechen.
(unser neuer Dozent)
3. Wir haben Monika gestern im Cafe gesehen. (ein
junger Mann)
4. Das Kind spielt draußen. (andere Kinder)
5. Gestern abends habe ich lange telefoniert.
(meine beste Freundin)
6. Peter ist zu Hause geblieben. (sein neuer Gast)